Gescheiterte Richterwahl: Verantwortung gegenüber dem höchsten Gericht

Am vergangenen Freitag sollte im Deutschen Bundestag über die Besetzung von drei Richterstellen am Bundesverfassungsgericht abgestimmt werden. Diese Wahl wurde kurzfristig von der Tagesordnung genommen – ein außergewöhnlicher, aber notwendiger Schritt. Denn wenn es um die Berufung an das höchste deutsche Gericht geht, sind Integrität, Vertrauen und Eignung entscheidend.

 

In den Tagen vor der geplanten Wahl haben mich zahlreiche besorgte Zuschriften aus dem Wahlkreis erreicht – insbesondere zur Personalie Prof. Dr. Frauke Brosius-Gersdorf, die von der SPD vorgeschlagen wurde. Ich teile diese Sorge, gerade wenn es um so grundlegende Fragen wie den Schutz des ungeborenen Lebens geht. Die Positionen der Kandidatin, die öffentlich dokumentiert sind, lassen aus meiner Sicht erhebliche Zweifel zu, ob sie dem besonderen Auftrag des Bundesverfassungsgerichts gerecht werden kann. Eine Richterin an unserem höchsten Gericht muss nicht nur juristisch hervorragend qualifiziert sein, sondern auch das Vertrauen der Bevölkerung genießen und für unsere Werteordnung einstehen.

 

Zudem wurden in den letzten Tagen Plagiatsvorwürfe gegen Prof. Brosius-Gersdorf öffentlich gemacht. Auch wenn solche Fragen juristisch geprüft werden müssen, bleibt ein erheblicher Vertrauensschaden im Raum. Gerade bei einem Amt, bei dem die persönliche Integrität von zentraler Bedeutung ist. In einem solchen Fall gebietet es die Verantwortung gegenüber der Institution Bundesverfassungsgericht, dass eine Kandidatur kritisch hinterfragt wird. Nicht aus parteipolitischen Erwägungen, sondern aus Respekt vor unserer Verfassungsordnung.

 

Sowohl in der Gruppe der hessischen CDU-Abgeordneten, den Sitzungen der CDU/CSU-Bundestagsfraktion als auch im Fraktionsvorstand haben wir am vergangenen Montag sehr intensiv über die anstehenden Personalentscheidungen beraten. In einem offenen, sachlichen und verantwortungsbewussten Austausch wurde deutlich, dass viele Kolleginnen und Kollegen erhebliche Bedenken gegenüber der Kandidatur von Prof. Brosius-Gersdorf haben. So auch ich. Zudem gehe ich davon aus, dass die Kandidatin bei der geheimen Wahl keine Stimmenmehrheit erhalten hätte. Die Entscheidung, die Wahl zu verschieben, war  folgerichtig und im Sinne des Ansehens unseres Staates und seiner Institutionen. 

 

Ich will offen sagen: Wenn ich mich in der Lage von Frau Brosius-Gersdorf befände, würde ich mir sehr ernsthaft die Frage stellen, ob ich meine Kandidatur weiterhin aufrechterhalte. Die Entscheidung über ein solches Amt verlangt auch persönliche Größe und Einsicht. Es liegt nicht nur in der Verantwortung des Bundestages, sondern auch in der Verantwortung der Kandidatin selbst, weiteren Schaden vom Bundesverfassungsgericht abzuwenden. Dieses Gericht steht über dem parteipolitischen Alltag und verdient entsprechend sorgsamer Entscheidungen.

 

Spätestens nach der Sommerpause wird die Wahl erneut auf die Tagesordnung kommen. Für mich bleibt dabei klar: Die Besetzung der höchsten Richterstellen darf nicht durch parteipolitische Kompromisse bestimmt sein. Maßstab müssen allein die fachliche Eignung, persönliche Integrität und das Vertrauen in die betreffende Person sein. Das Bundesverfassungsgericht verdient nur die besten Köpfe und das uneingeschränkte Vertrauen der Bevölkerung.